So bereitet sich OWL auf die EU-Taxonomie vor

Umwelt, Soziales, Betriebsführung: Mit der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive der EU-Kommission, kurz CSRD, müssen ab 2025 rund 15.000 deutsche Unternehmen nicht mehr nur einen Finanz-, sondern auch einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Gerade im mittelständisch geprägten OstWestfalenLippe sehen sich viele Unternehmen erheblichen Aufwänden und Herausforderungen gegenüber. Rund 130 Teilnehmende aus Wirtschaft, Netzwerken, Kammern und Hochschulen haben sich am Donnerstag in der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld über Lösungsansätze ausgetauscht – und darüber, wie aus der Not eine Tugend werden kann. Veranstalter waren die OstWestfalenLippe GmbH sowie die IHKs Ostwestfalen und Lippe in Kooperation mit der Gilde GmbH, InnoZent OWL, PricewaterhouseCoopers, der Volksbank Bielefeld Gütersloh und der Universität Paderborn.

„Früher ging es in der Wirtschaft klassisch um finanzielle Investitionen und Erlöse, um Einkauf und Verkauf. Diese Art zu Wirtschaften funktioniert so nicht mehr.“ Für Prof. Dr. René Fahr von der Universität Paderborn ist klar: Die Wirtschaft läuft nur, wenn Gesellschaft und Umwelt es zulassen. „Sobald es hier Unruhe gibt, haben auch Unternehmen mit widrigen Umständen zu kämpfen.“ Damit sich die Wirtschaft durch ihr Handeln nicht selbst die Grundlage entzieht und auch langfristig tragbar bleibt, hat die Europäische Union mit den CSRD-Richtlinien einen Regelkatalog vorgelegt, der Unternehmen zur regelmäßigen Offenlegung verschiedener Kennzahlen verpflichtet – je nach Betrieb bis zu 85.

Davon direkt betroffen sind Unternehmen, die über 250 Beschäftigte haben, eine Bilanzsumme von 20 Millionen und Umsatzerlöse von mehr als 40 Millionen Euro. Indirekt können aber auch kleinere Betriebe berichtspflichtig werden, wenn etwa Kunden, Investoren und Banken Wert darauf legen. „Bei den Kennzahlen geht es nicht nur um CO2-Emissionen, sondern auch um das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in der Region und darüber hinaus. So werden die Nachhaltigkeitsaktivitäten von Unternehmen in ganz Europa vergleichbar – das ist eine Revolution und eine echte Chance“, erläutert Theres Schäfer von der Unternehmensberatung PwC.

Denn mit diesen Kennzahlen können Unternehmen, die bereits in nachhaltige, dafür aber teurere Produkte investiert haben, sich vom weniger engagierten, dafür aber günstigeren Wettbewerb abheben. Weitere Vorteile ergeben sich für nachhaltige Betriebe beim Kontakt mit Banken, erklärt Ralf Reckmeyer von der Volksbank Bielefeld-Gütersloh: „Unternehmen, die bei der Berichterstattung gut abschneiden, werden auch bei der Vergabe von Krediten und bei Zinssätzen demnächst besser gewertet. Das ist eine Frage des Risikomanagements: Wer sich zukunftsfest aufstellt, ist für die Bank eine sicherere Investition.“

Nichtsdestotrotz stehen kleine und mittlere Unternehmen vor einer Mammutaufgabe. Auch für die früher berichtspflichtig gewordenen Großunternehmen seien die CSRD-Richtlinien ein „Brett“. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer DIHK vermisst gar Verhältnismäßigkeit und Praktikabilität. Daher sei es für kleinere Unternehmen umso wichtiger, das Thema jetzt auf die Tagesordnung zu nehmen: „Auch wer schon lange Nachhaltigkeitsberichterstattung betreibt, muss große Lücken schließen und neue Daten erheben. Dabei geht es etwa um Angaben zur Work-Life-Balance der Mitarbeitenden oder die Zahl der Arbeitsunfälle pro 1.000 Arbeitsstunden“, schildert Julian Grenz von Benteler. Lennart Gorholt von Phoenix Contact pflichtet bei: „Es ist jetzt Zeit, die Strukturen aufzubauen, um in zwei Jahren die entsprechenden Zahlen überhaupt vorlegen zu können. Da muss man drauf zulaufen – mit allen Unsicherheiten, die es noch gibt.“ Diese Zahlen unternehmensweit, termingerecht und verlässlich zusammenzutragen führt etwa bei Phoenix Contact mit seinen mehr als hundert Gesellschaften im In- und Ausland zu einem beachtlichen Mehraufwand.

Neben den bisher fehlenden organisatorischen Strukturen fehlt den Unternehmen oftmals auch das Fachwissen, um mit den komplizierten EU-Richtlinien umgehen zu können. „Dafür sind neue Kompetenzen notwendig. Die Fachkräfte in diesem Bereich sind jetzt sehr gefragt, daher aber auch knapp. Ein Lösungsansatz ist es, die eigenen Mitarbeitenden dazu zu qualifizieren die Nachhaltigkeitsberichterstattung selbst und über Abteilungsgrenzen hinweg zu steuern. Auch Expertise von außen hinzuzuziehen kann sich lohnen“, empfiehlt Volker Voelcker von PwC.

Um kleinen und mittleren Unternehmen Unterstützung an die Hand zu geben, schnüren viele Netzwerke und Kompetenzzentren in der Region Hilfsangebote. Ob es der Austausch mit anderen Betrieben ist, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, oder Potenzialanalysen und Umsetzungsbegleitungen: „OWL hat eine starke Kultur der Kooperation und Zusammenarbeit. Wir arbeiten mit vielen Initiativen daran, OWL zu einer Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften zu machen“, erklärt Wolfgang Marquardt von der OWL GmbH. „Im Partnernetzwerk können wir daher viele Fragen und Bedarfe von Unternehmen praxisnah abdecken, Orientierung geben und Expertenwissen vermitteln. Gute Anlaufstellen sind etwa das Mittelstand-Digital Zentrum Ruhr-OWL, die Kammern, Netzwerke wie InnoZent OWL oder die Wirtschaftsförderungen der Kreise und Kommunen.“

Bei allem Kopfzerbrechen, dass das Thema Nachhaltigkeit in der OWL-Wirtschaft verursacht, und den Aufwänden und Kosten, die damit verbunden sind – eines dürfe man nicht vergessen, fasst Julian Grenz von Benteler zusammen: „Die Frage ist, ob wir uns als Gesellschaft die Konsequenzen leisten können, wenn wir diese Maßnahmen jetzt nicht ergreifen.“